Vor Saisonbeginn steht für einige Leichtathletikfans eine Rückschau an. FREUNDE-Statistiker Stefan Hirschter ist fast überall dabei und es gibt kaum eine Laufbahn auf diesem Planeten, wo richtig schnelle Leute unterwegs waren, die der Hannoveraner nicht mit eigenen Augen gesehen hat. Seine Nachbetrachtungen von internationalen Leichtathletik-Höhepunkten wimmeln von Zahlen und Details – nicht jedermanns Sache. Aber wer es genau wissen möchte, ist in dieser leichtathletikarmen Zeit bei ihm richtig.
Wir veröffentlichen seine Beiträge von Disziplin zu Disziplin auf Facebook, die Gesamtanalyse für einen kompletten Regentag zu Hause gibt es hier als Download: Stefans Nachlese zur WM in Doha 2019
Die Bilanz in Kürze: Die Entscheidung der IAAF, zum ersten Mal in der Geschichte eine Leichtathletik -WM in ein arabisches Land zu vergeben, war auf vielen Gründen mehr als umstritten. Unbestreitbar jedoch, dass die Bedingungen im 41.000 Zuschauer fassenden Khalifa Stadion die besten waren, die es je bei einer WM oder OS gegeben hat. Bei 23 bis 25 Grad, ohne störenden Regen und bei nur geringfügigen Winden wurden in fast allen Disziplinen die größte Breite und Tiefe aller Leistungen erzielt. Drei Weltrekorde wurden aufgestellt. Dalilah Muhammad/USA über 400m-Hürden (52,16) in einem epischen Duell mit ihrer Landsfrau und Junioren-Weltrekordlerin Sydney Mc Laughlin (52,23) sowie die USA im Vorlauf (3:12,42) und im Finale (3:09,34) der erstmals ausgetragenen Mixed-Staffel erzielten die neuen Weltrekorde.
Die Qualität dieser WM in Doha kommt vor allem in der Summe der Kontinentalrekorde und der Weltjahresbestleistungen zum Ausdruck: 23 Kontinentalrekorde (davon allerdings 7 in der neuen Mixed-Staffel) wurden aufgestellt, zusätzlich 6 Commonwealth-Rekorde. Mit 23 Weltjahresbestleistungen wurden in fast der Hälfte aller Disziplinen eine Saisonbestmarke aufgestellt. Sechs Meisterschaftsrekorde wurden erzielt:
M, 800-m:
1:42,34 Donavan Brazier/USA – bisher Billy Konchellah/KEN 1:43,06 – Rom,1987
M, Kugelst.:
22,91m Joe Kovacs/USA – bisher Werner Günthor/SUI – 22,29m Rom,1987
F, 1500-m:
3:51,95 Sifan Hassan/NED – bisher Tatjana Tomaschova/RUS 3:58,52 – Paris,2003
F, 5000-m:
14:26,72 Helen Obiri/KEN – bisher Almaz Ayana/ETH 14:26,83 – Peking,2015
F, 3000-m-H:
8:57,84 Beatrice Chepkoech/KEN – bisher Emma Coburn/USA 9:02,58 – London,2017
F, 400-m-Hürden:
52,16 Dalilah Muhammad/USA – bisher Melanie Walker/JAM 52,42 – Berlin,2009
Die Nationenwertung: (8 Pkt. für Platz 1, 1 Pkt. für Platz 8):
WM 2019 | WM 2017 | OS 2016 | WM 2015 | WM 2013 | |
1. USA | 308 | 271,5 | 310 | 211,5 | 282 |
2. Kenia | 122 | 124 | 131 | 173 | 139 |
3. Jamaika | 115 | 67,5 | 106 | 132 | 100 |
4. China | 99 | 81 | 81 | 93,5 | 42 |
5. Äthiopien | 83 | 70 | 72 | 83 | 97 |
6. GBR | 82 | 104 | 93 | 94 | 79 |
7. Deutschland | 68,5 | 77,5 | 73 | 112,5 | 101,5 |
8. Polen | 56 | 86 | 45 | 66 | 43,5 |
9. Kanada | 55 | 30 | 41 | 65,5 | 52 |
10. Ukraine | 44 | 15 | 22 | 29,5 | 34 |
20 Nationen gewannen mindestens eine Goldmedaille, 43 eine Medaille und 68 platzierten mindestens einen Athleten in den Top 8. Burkina Faso holte durch Dreispringer Fabrice Hugues Zango mit Platz 3 und Bronze ihre erste Medaille jemals. Die USA stellte mit 14x Gold ihren Rekord von 2005 und 2007 ein. Ihre 308 Punkte wurden bisher nur bei den OS 2016 (310 Pkt.) übertroffen. Jamaika eroberte sich Platz 3 nach dem Absturz von 2017 wieder zurück. GBR blieb die beste europäische Nation mit 82 Pkt, vor Deutschland (68,5). Trotz 6 Medaillen (2x Gold, 4x Bronze) war es für Deutschland die schlechteste Ausbeute jemals bei einer WM (bisher 69 Pkt. in 2005). Auch Frankreich erlebte mit 24,5 Pkt. seine schlechteste WM seit 1983.
Die sechs Medaillen für den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) brachten die zwei Weltmeister Malaika Mihambo und Niklas Kaul mit, sowie jeweils Bronze Kugelstoßerin Christina Schwanitz, die Läuferinnen Konstanze Klosterhalfen und Gesa Felicitas Krause sowie Speerwerfer Johannes Vetter Etliche deutsche Athleten flogen enttäuscht nach Hause. Zwei Dutzend scheiterten bereits in Runde eins, nur je vier erzielten persönliche oder saisonale Bestleistungen, aber in 17 Disziplinen waren Deutsche erst gar nicht am Start.