Die nächsten Crosslauf-Europameisterschaften in den Kategorien U20, U23 und Aktive für beide Geschlechter, mit einer gemischten Staffel als neueste Ergänzung des Programms, findet am 11. Dezember 2022 im Piemonte-La Mandria Park vor den Toren Turins statt. Der Regionalpark ist mit etwa 3.000 Hektar der größte geschlossene Park Europas, und gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Die erste Ausgabe der Meisterschaften fand 1994 in Alnwick/Großbritannien statt, die Meisterschaften 2023 und 2024 werden in Brüssel/Belgien, bzw. Antalya/Türkei, ausgetragen.
Die Crosslauf-EM finden bereits zum vierten Mal in Italien statt, nach den Wettkämpfen in Ferrara 1998, San Giorgio su Legnano 2006 und Chia 2016.
Mindestens drei der Sieger von Chia gehen auch im Piemonte-La Mandria Park an den Start: Konstanze Klosterhalfen gewann 2016 in Chia ihren zweiten Cross-EM Titel in der U20 (Alina Reh wurde in diesem Lauf Vierte), und mit 16 Jahren gewann der Norweger Jakob Ingebrigtsen dort seinen ersten von vier U20-Titeln, bevor er letztes Jahr in Fingal-Dublin auch den Titel bei den Aktiven holte. Auch die erfolgreiche Ära der Türkin Yasemin Can begann in Chia, wo sie ihren ersten von vier Titeln in Folge bei den Aktiven gewann.
Jede Menge Europameister von München und Titelverteidiger am Start
Insgesamt werden sechs Goldmedaillengewinner der Leichtathletik-Europameisterschaften 2022 in München im La Mandria Park antreten, darunter Jakob Ingebrigsen, der in diesem Jahr bereits seinen dritten Europameistertitel anstrebt, nachdem er seinen EM-Titel von Berlin über 1.500/5.000 m in der bayerischen Hauptstadt verteidigt hat. Die 5.000-m- bzw. 10.000-m-Europameisterinnen Konstanze Klosterhalfen und Yasemin Can werden zwei von Grøvdals Hauptkonkurrentinnen bei den Aktiven sein, während der 3.000-m-Hindernis-Europameister Topi Raitanen für Finnland in der gemischten Staffel antritt. Und Miriam Dattke, die in München Team-Gold im Marathon gewann, gehört zusammen mit Alina Reh und Konstanze Klosterhalfen im Hauptlauf der Frauen zu den Titelfavoritinnen im Team-Wettbewerb.
Aber auch alle sechs Einzelmeister der Crosslauf-Europameisterschaften 2021 sind bei den diesjährigen Meisterschaften als Titelverteidiger gemeldet. Nachdem Jakob Ingebrigtsen zwischen 2016 und 2019 vier U20-Titel gewonnen hat, strebt er nach seinem Aktiven-Titel 2021 seinen sechsten Titel in Folge an, während seine norwegische Teamkollegin Karoline Bjerkeli Grøvdal versuchen wird, ihre Bilanz von acht Ein-zelmedaillen – ein Rekord für eine weibliche Athletin bei den Cross-Country-Europameisterschaften – zu erweitern. Die amtierende Meisterin und Lokalmatadorin Nadia Battocletti aus Italien tritt im U23-Rennen gegen die letztjährige U20-Goldmedaillengewinnerin Megan Keith aus Großbritannien an, während der Brite Charles Hicks erneut auf Irlands Darragh McElhinney und Ruben Querinjean aus Luxemburg, die Silber- und Bronzemedaillengewinner hinter Hicks beim U23-Rennen im vergangenen Jahr, trifft.
Zu den führenden italienischen Hoffnungen im Piemonte-La Mandria Park gehört die olympische 5.000-m-Finalistin (7. Platz) Nadia Battocletti, die bei den letzten drei Ausgaben der SPAR-Crosslauf-Europameisterschaften jeweils Einzelgoldmedaillen gewonnen hat – zwei im U20-Rennen, und eine letztes Jahr im U23-Rennen (plus Team-Gold) – und bei der U23 ihren vierten Einzel-Titel in Folge anstrebt, sowie der in München erfolgreiche 10.000-m-Europameister Yemaneberhan Crippa.
Gastgeber Italien hat bisher 13 Goldmedaillen bei den Crosslauf-Europameisterschaften und insgesamt 25 Medaillen gewonnen, davon Crippa allein zehn Medaillen.
Deutsches Team mit Medaillenchancen
Das deutsche Team (letztes Jahr vier Medaillen (1/1/2=4) wird von der frischgebackenen „Läuferin des Jahres“ Konstanze Klosterhalfen angeführt, die ihrem 5.000-m-Titel in München einen sensationellen Sieg bei ihrem Debüt im Valencia-Halbmarathon in 65:41 folgen ließ. Die Gewinnerin der europäischen U20-Titel im Jahr 2015 und 2016 (zusätzlich Mannschaftsgold 2015 und U23-Silber 2017) strebt am Sonntag nach ihrer ersten individuellen Aktivenmedaille bei den Cross-Europameisterschaften. Zum deutschen Team gehört auch Alina Reh, die 2017 Gold im U23-Rennen vor Klosterhalfen gewann, und bei den letzten Cross-Europameisterschaften 2021 Einzel-Bronze holte. Reh gewann am vergangenen Wochenende auch den deutschen Cross-Country-Titel vor den ebenfalls nominierten Hanna Klein und Miriam Dattke.
Das deutsche Herren-Team wird vom deutschen Meister und ehemaligen U23-Europameister im Crosslauf, Samuel Fitwi, angeführt sowie von Sam Parsons, Sechster über 5.000 m bei den Leichtathletik-Europameisterschaften in München. Emma Heckel, die letztes Jahr U20-Bronze gewann und Deutschland zum Mannschaftstitel führte, ist in die U23-Klasse aufgestiegen und wird es hier bei den bis zu drei Jahre älteren Konkurrentinnen schwer haben.
Großbritannien – das erfolgreichste Team aller Zeiten bei der Cross-EM
Gespannt sein darf man auf das Abschneiden des 40-köpfigen britischen Teams, das u.a. mit den letztjährigen Cross-Europameistern Charles Hicks (U23) und Megan Keith (U20) anreist. Die Briten gewannen bei den Cross Country-Europameisterschaften in Dublin fünf Goldmedaillen und beendeten den Medaillenspiegel 2021 zum wiederholten Mal als Erste.
Mit 70 Goldmedaillen und insgesamt 167 Medaillen ist Großbritannien die mit Abstand erfolgreichste Nation in der Geschichte der Crosslauf-Europameisterschaften, britische Teams haben den Medaillenspiegel bei 16 der letzten 18 Cross-Country-Europameisterschaften angeführt, einschließlich der letzten beiden Ausgaben in den Jahren 2019 und 2021.
Zu den bekanntesten individuellen Triumphen zählen Jon Brown, der 1996 Großbritanniens allererste Goldmedaille bei den Männern gewann, Paula Radcliffe, die 1998 und erneut 2003 Gold gewann, und Mo Farah, der 2006 seinen allerersten Titel bei den Erwachsenen gewann.
Das Hauptrennen der Frauen verspricht höchste Spannung
Den Höhepunkt der Titelkämpfe – vielleicht nicht nur aus deutscher Sicht – stellt das Rennen der Frauen über 8 Kilometer um 12:30 Uhr dar: hier treffen die Europameisterinnen aus München Konstanze Klosterhalfen (5.000m), Yasemin Can (10.000m) und Miriam Dattke (Marathon Teamwertung) auf die norwegische Titelverteidigerin Karoline Bjerkeli Grøvdal, mit acht Einzelmedaillen Rekord-Champion der Crosslauf-Europameisterschaften.
Grøvdal, die zwischen 2015 und 2019 fünf aufeinanderfolgende Silber- und Bronzemedaillen gewonnen hatte, gewann letztes Jahr den Titel bei den Aktiven in überlegener Manier. Ihre erste Medaille (Silber im U20-Rennen) gewann die 16-jährige Grøvdal bereits 2006, als die Meisterschaften in San Giorgio su Legnano zum zweiten Mal auf italienischem Boden ausgetragen wurden. Ein Jahrzehnt später war sie dann erneut Medaillengewinnerin auf italienischem Boden, als die Meisterschaften in Chia auf der Insel Sardinien ausgetragen wurden: Diesmal holte Grøvdal im Rennen der Aktiven Bronze hinter Yasemin Can aus der Türkei.
Yasemin Can wiederum, die zwischen 2016 und 2019 alle Cross-EMennen dominiert hatte, brach letztes Jahr als Mitfavoritin im Verlauf des Rennens völlig ein und fiel auf den 14. Platz zurück, wobei sie mehr als zwei Minuten auf die Führenden verlor. In München hat sie jedoch über 5.000m und 10.000m gezeigt, dass mit ihr nach wie vor zu rechnen ist.
Aber auch Alina Reh, letztes Jahr Gewinnerin der Bronzemedaille auf dieser Strecke, will sicherlich bei der Medaillenvergabe ein Wörtchen mitreden. Letztes Jahr in Dublin gelang ihr eine bemerkenswerte taktische Leistung, als sie in der letzten Runde sogar Konstanze Klosterhalfen im Kampf um Bronze überholte – Klosterhalfen fiel schließlich auf den fünften Platz zurück – und kürzlich gewann sie auch den deutschen Cross Country-Titel mit großem Vorsprung.
In jedem Fall sind die beiden FREUNDE-Mitglieder Klosterhalfen und Reh zusammen mit Dattke und der starken Hanna Klein mindestens Mitfavoriten, wenn es um die Goldmedaille in der Team-Wertung geht – es wäre die erste Goldmedaille einer deutschen Frauenmannschaft bei den Cross-Europameisterschaften überhaupt.
2021 gewann das britische Team die Mannschaftswertung knapp vor den Deutschen, wobei Jessica Warner-Judd mit einem vierten Platz an der Spitze lag, nachdem sie in den Jahren zuvor bereits U20- und U23-Medaillen gewonnen hatte (zuletzt 2017, als sie hinter Reh und Klosterhalfen als Dritte ins Ziel kam). Warner-Judd hat kürzlich ein hochkarätig besetztes Proberennen in Liverpool gewonnen und stellt Großbritanniens beste Chance auf eine Einzelmedaille dar.
Zu beachten ist auch das schwedische Team, sowohl im Einzel- als auch im Teamrennen. Das schwedische Team wird von der letztjährigen Silbermedaillengewinnerin Meraf Bahta und der Bronzemedaillengewinnerin von 2019, Samrawit Mengsteab, angeführt, die letztes Jahr Schweden zu Team-Bronze verhalfen. Verstärkt wird das Team dieses Jahr durch Sarah Lahti, die auf dem Weg zu diesen Meisterschaften die World Athletics Cross Country Tour Silver-Events in Mol und Tilburg gewonnen hat.
Hauptrennen der Männer: wer soll Jakob Ingebrigtsen schlagen?
Nur vier Monate, nachdem er mit seinem zweiten 1.500/5.000-m-Doppelpack in Folge auf der Bahn die Zahl seiner Goldmedaillen bei den Senioren auf acht erhöht hat, trifft der junge Norweger (er könnte auch noch in der U23 starten!) auf eine starke Phalanx weiterer Medaillengewinner der Leichtathletik-Europameisterschaften 2022 in Mün-chen. Das Feld für die 10 km umfasst die ersten Drei von München über 5.000 m – Ingebrigtsen, Mohamed Katir aus Spanien und den Italiener Yemaneberhan Crippa – und auch die drei Medaillengewinner über 10.000 m – wieder Crippa und Yann Schrub aus Frankreich, sowie den 3000-m-Hindernis-Bronzemedaillengewinner Osama Zogh-lami aus Italien. Hinzu kommt der Läufer, der letztes Jahr in Dublin die Silbermedaille hinter Ingebrigtsen gewann, der Türke Aras Kaya.
Hauptkonkurrent für Ingebrigtsen auf dem anspruchsvollen Kurs, der auf jeder langen Runde einen steilen 300-Meter-Anstieg beinhaltet, dürfte Lokalmatador Crippa sein, der im norditalienischen Trento lebt und einen frühen Hintergrund im Berglauf hat. Der in Äthiopien geborene 26-Jährige wurde 2019 in Lissabon bereits Zweiter hinter Kaya. Außerdem gewann er 2014 und 2015 den U20-Titel und wurde 2016 und 2017 Dritter im U23-Rennen. Zuletzt lief er zu Aktiven-Silber im Jahr 2019.
Crippas laufende Bilanz von fünf Einzelmedaillen – er hat insgesamt 10, wenn man die Mannschaftsmedaillen mit einbeziehen – macht ihn zusammen mit Jakob Ingebrigtsen und Hassan Chahdi aus Frankreich zum zweithöchsten Einzelmedaillengewinner bei den Männern in der Geschichte der Meisterschaften.
Der in Kenia geborene türkische Läufer Kaya, der im vergangenen Jahr Zweiter hinter Ingebrigtsen wurde, triumphierte bereits 2016 und 2019 – letzteres allerdings rückwirkend, nachdem der ursprüngliche Sieger Robel Fsiha disqualifiziert worden war. Kaya wurde allerdings bei den Leichtathletik-Europameisterschaften über 10.000 m nur 16., eine halbe Runde hinter Crippa und den übrigen Medaillengewinnern.
Einen weiteren äußerst prominenten Gegner hat Ingebrigtsen im spanischen Läufer marokkanischer Herkunft Mohamed Katir (Bronze bei der WM in Oregon über 1.500m, Silber in München über 5.000m), mit Bestleistungen von 3:28.67min (1.500m) und 12:50,79 (5.000m) auf der Bahn. Katir ist jedoch noch nicht als erfahrener Crossläufer in Erscheinung getreten und wird sein Debüt bei den Cross-Country-Europameisterschaften geben.
Auch Teamgold wird von Jakob Ingebrigtsen anvisiert. Norwegen wurde letztes Jahr Dritter im Mannschaftsrennen, hat aber noch nie Mannschaftsgold bei den Aktiven gewonnen. Jakob wird an der Startlinie von seinen älteren Brüdern Henrik und Filip begleitet, die beide bereits Einzel-Goldmedaillen bei den Crosslauf-Europameisterschaften gewonnen haben. Henrik gewann 2012 den U23-Titel, während Filip 2018 der Überraschungssieger des Herren-Rennens war.
Norwegen hat in der Geschichte der Crosslauf-Europameisterschaften bisher 11 Goldmedaillen gewonnen. Jakob Ingebrigtsen besitzt fünf dieser elf Goldmedaillen, außerdem führte er Norwegen 2018 zum U20-Meistertitel und 2019 zur Mannschaftssilbermedaille. Und von den insgesamt 25 Medaillen hat Grøvdal acht Medaillen beigesteuert, darunter U20-Gold im Jahr 2009 und Aktiven-Gold im Jahr 2021.
Das wohl stärkste U20-Feld der Männer aller Zeiten bei Crosslauf-Europameisterschaften
Die Teilnehmerliste der U20 der Männer weist nicht weniger als fünf Athleten auf, die 2022 entweder auf U18- oder U20-Ebene europäische Rekorde aufgestellt haben, sowie alle drei Einzelmedaillengewinner des letztjährigen U20-Rennens in Fingal-Dublin. Der dortige Cross-Europameister Axel Vang Christensen aus Dänemark war damals erst 17 Jahre alt und war vor zwölf Monaten der dominanteste Sieger in der irischen Hauptstadt, mit überragenden 25 Sekunden Vorsprung auf den Norweger Abdullahi Dahir Rabi und seinen dänischen Teamkollegen Joel Ibler Lillesø, dem U20-Europameister über 5.000 m. Rabi brach in diesem Sommer mit 28:11,71 den langjährigen europäischen U20-Rekord über 10.000 m, während Lillesø einige Wochen später mit 7:48,34 über 3.000m den europäischen U20-Hallenrekord von Superstar Jakob Ingebrigtsen verbesserte! Christensens Bahnsaison wurde – wie hinlänglich bekannt -– durch einen schweren Sturz im Vorlauf über 3.000-m-Hindernis bei den Münchner Leichtathletik-Europameisterschaften 2022 beendet, wo er von der Bahn getragen wurde – zuvor aber stellte er Anfang des Sommers mit einer Zeit von 8:29,18 einen neuen U20-Europarekord über 3.000m Hindernis auf.
Die drei Genannten bekommen es in Turin zudem mit dem erst 17 Jahre alten Niels Laros aus den Niederlanden zu tun, der am Sonntag nach einer bahnbrechenden Bahnsaison, bei der er für den Rising Star Award bei den Golden Tracks nominiert wurde, sein Debüt bei den Cross Country Championships geben wird. Laros lief bei den U18-Leichtathletik-Europameisterschaften in Jerusalem zu den Titeln über 1.500m und 3.000m, bevor er die Rekordlisten neu schrieb und die europäischen U18-Bestleistungen über 1.500 m (3:39,46) und 3.000 m (7:48,25) verbesserte.
Text: Wilfried Walter
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