Hanne Ziemek, frühere Mehrkämpferin und ehemalige stellvertretende FREUNDE-Vorsitzende, hat sich vor mehr als einem Jahrzehnt vehement gegen Pläne eingesetzt, bei den Jugendmeisterschaften in der Halle die 4×200-m-Staffel zu streichen. Mittelstreckler und FREUNDE-Mitglied Timo Benitz befürchtet ähnliche Bestrebungen hinsichtlich der Langstaffeln und sieht Gesprächsbedarf – ein Gastbeitrag.
DM Ulm 2009: mit einer legendären Armbewegung rettet sich Carsten Schlangen vor Stefan Eberhardt über die 1.500 m ins Ziel. Selten hatte ich so emotional ein 1.500 m-Rennen wahrgenommen. Ab diesem Tag war mir klar, dass ich irgendwann auch zu den besten Mittelstreckenläufern in Deutschland gehören möchte. Fünf Jahre später schlug dann meine größte Stunde und ich konnte auf eben jener Bahn Carsten Schlangen auf den letzten Metern abhängen. Warum ich fünf Jahre zuvor überhaupt auf der Tribüne saß? Die deutschen Staffelmeisterschaften in der Jugend über 3×1000 m waren der Grund, damals noch in die Veranstaltung der Aktiven eingebaut.
Obwohl sie für die Veranstaltung nur eine kleine Randnotiz darstellte, war es für uns jugendliche Athleten der Höhepunkt des Jahres. Separiert in eine eigenständige Veranstaltung, den DM der Langstaffeln, nimmt der DLV den jungen Leuten solcherlei Emotionen und Motivation und schadet damit sich selbst wohl am meisten. Die Meinung der Athleten wird rein gar nicht beachtet. Die große Mehrheit ist für den alten Modus, nämlich der Integration von Staffelwettkämpfen in bestehende Meisterschaften.
Früher Austragungstermin der Staffel-DM sorgt für Unverständnis
Am 27. Oktober 2022 wurden weitere Meisterschaftstermine für 2023 veröffentlicht. Die Langstaffeln sind nun am 29. April 2023. Ein Datum, welches große Verwunderung auslöst. Wirklich jeder Athlet ist über Ostern im Trainingslager. Die Zeit danach dient vorrangig der Regeneration. Die Wettkämpfe starten in der Regel Anfang Mai. Somit ist das aus trainingstechnischer Sicht ein unmöglicher Termin. Zumal die zugehörigen Landesmeisterschaften gewöhnlich im Mai ausgetragen werden.
Faktisch gibt es keine Möglichkeit, in der Freiluftsaison die Normen für die Staffelwettkämpfe zu laufen. Es bleibt 2023 also nur die Gelegenheit, die Norm in der Halle zu laufen. Die Anzahl der Qualifikanten könnte somit deutlich abnehmen. Es ist für mich einfach schleierhaft, wie ein solcher Termin von Experten überhaupt ausgewählt werden kann, da er überhaupt nicht in eine Jahresplanung passt. Gleichzeitig lässt dieses Datum zu Beginn der Saison auch keine Topleistungen erwarten. Bleibt dieser Termin in Zukunft weiterhin im April bestehen, wird über kurz oder lang auch die Qualität deutlich abnehmen.
Es lässt mich der Gedanke nicht los, ob dieser Termin vielleicht doch bewusst gewählt wurde. Nimmt die Qualität stark ab, hätte der DLV irgendwann ein Argument, gewisse Staffelrennen komplett wegzurationalisieren. Es würde auf jeden Fall ins Bild passen, da der Verband seit Jahren eine zunehmende Eventisierung vorantreibt. Und genau da passen weniger gefragte Wettbewerbe leider nicht ins Konzept.
Eine Rettung der Veranstaltung im April ist aktuell nur durch eine Aufhebung jeglicher Qualifikation möglich. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Verein eine entsprechende Norm aus dem Vorjahr vorweisen kann. Alles andere wäre grob ungerecht. Die Entscheidung, auch die Jugendstaffeln an diesem Wettkampftag mit einzubauen, halte ich zudem für den größten Fehler. Einfacher wie dieses Jahr im Olympiastadion hätte man der nächsten Läufergeneration keinen Motivationsschub mitgeben können.
Es ist eine vertane Chance des DLV, der sich mit solchen Aktionen selbst das Wasser abgräbt. Wenn nur ein Athlet oder eine Athletin sein Vorbild bei den DM der Aktiven findet, wie ich damals Carsten Schlangen, hätte sich die Integration der Staffelwettbewerbe der Jugend für alle und besonders für den Verband gelohnt.
Text: Timo Benitz; Bild: Peter Busse
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- Dieser Beitrag erscheint ebenfalls in unserer Mitgliederzeitung LeichtathletikINFORMationen 04/2022 (erscheint Anfang Dezember 2022)
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