Zum Ende eines Jahres, in dem so vieles anders verlaufen ist als geplant, findet auch die Ehrung der „Leichtathleten des Jahres“ in einem besonderen Format statt: Auf eine Publikumswahl wurde verzichtet (leichtathletik.de berichtete darüber). Dafür kürte eine Experten-Jury mit Vertretern des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), des Fördervereins „Freunde der Leichtathletik“, des Fach-Magazins „Leichtathletik“ sowie der Deutschen Leichtathletik Marketing GmbH DLM jetzt die „Wertvollsten Leistungen der Leichtathletik im Jahr 2020“.
In den Kategorien der Aktiven fiel die Wahl auf Speerwerfer Johannes Vetter (LG Offenburg), der mit seinen 97,76 Metern von Chórzow (Polen) am Weltrekord kratzte, sowie auf Weitspringerin Malaika Mihambo (LG Kurpfalz). Mit ihren 7,03 Metern von Dessau ist sie als einzige DLV-Athletin zum Jahresende in ihrer Disziplin die Nummer eins der Welt.
Nicht nur sportlich überzeugend
In den Jugendklassen wurden im Hinblick auf die empfohlene späte Spezialisierung die Auftritte der U20 vorrangig berücksichtigt. Die wertvollsten Leistungen sah die Jury im Siebenkampf der weiblichen U20 von Lucie Kienast (SV Halle) mit 6.009 Punkten und Platz eins der Welt sowie von Merlin Hummel (UAC Kulmbach) im Hammerwurf der U20 und der Männer.
Aus dem Kreise der zahlreichen bemerkenswerten Resultate in den Senioren-Klassen stachen aus Sicht der Jury die zwei W90-Weltrekorde von Melitta Czerwenka-Nagel (LAG Saarbrücken) sowie die Wurfleistungen von Hermann Albrecht (SpVgg. Satteldorf) in der M80, unter anderem mit 50,69 Metern im Hammerwurf, hervor.
Wertvoll – das waren alle Leistungen, die bei dieser Ehrung in den Fokus rücken. Natürlich zuvorderst aus sportlicher Sicht. Aber die zu Ehrenden haben sich in den Augen der Jury zugleich auch alle dadurch ausgezeichnet, dass sie in einer schwierigen Zeit Hindernisse überwunden und neue Wege zu neuen Zielen gefunden haben. Sie haben mit ihren sportlichen Leistungen, ihrer Resilienz und teils auch ihrem sozialen Engagement eine Vorbild-Rolle übernommen und damit auch anderen Mut und Zuversicht verliehen.
Die Jury-Entscheidungen im Detail:
FRAUEN
„Malaika Mihambo ist weiterhin die Konstanz in Person – obwohl sie sich während der Corona-Pandemie nach einem geplanten Trainer- und Standort-Wechsel wieder ganz neu aufstellen musste. Als einzige Weitspringerin der Welt hat sie in diesem Jahr die 7-Meter-Marke überboten. Und darüber hinaus mit ihrem Projekt ‚Herzsprung‘ Kinder auf vielfältige Art und Weise beim Sporttreiben unterstützt. Sie ist damit sowohl in sportlicher als auch in sozialer Hinsicht eine Athletin mit großer Vorbildfunktion.“
Ebenfalls hervorheben möchte die Jury als herausragende Leistung die WM-Silbermedaille im Halbmarathon mit deutschem Rekord von Melat Kejeta sowie die bemerkenswerte Saison von Diskuswerferin Kristin Pudenz mit Weiten, die bei vielen zurückliegenden internationalen Meisterschaften eine Medaille bedeutet hätten.
MÄNNER
„Johannes Vetter hat mit seiner Saison, seinem dominanten Auftreten und seiner guten Darstellung allen gezeigt, wie man auch in einer schwierigen Phase seinen Fokus ändern und damit großen Erfolg haben kann. Seine Leistung ist gar nicht hoch genug einzuschätzen, auch vor dem Hintergrund, dass in Baden-Württemberg lange nur eingeschränkt trainiert werden konnte.“
Als herausragend hat die Jury darüber hinaus auch den deutschen Rekord im Marathon von Amanal Petros mit 2:07:18 Stunden in Valencia gewürdigt.
WEIBLICHE JUGEND
„Lucie Kienast hat in einer so komplexen und herausfordernden Disziplin wie dem Siebenkampf einen Spitzenwert erzielt, der gleichbedeutend ist mit Medaillen-Potenzial bei internationalen Jugendmeisterschaften. Und das, obwohl sie während des Lockdowns aus dem Internat in Halle/Saale ausziehen und täglich 60 Kilometer bis zum Training pendeln musste. Besonders für den Mehrkampf waren die Voraussetzungen in diesem Jahr schlecht, sie konnte sich dennoch um 350 auf mehr als 6.000 Punkte steigern.“
Darüber hinaus sind auch die 100-Meter-Zeit von 11,32 Sekunden von Lilly Kaden bei der Jugend-DM in Heilbronn sowie die deutsche U18-Bestleistung im Siebenkampf von Serina Riedel mit 5.818 Punkten von der Jury als bemerkenswert gewürdigt worden.
MÄNNLICHE JUGEND
„Merlin Hummel hat sich mit Training auf Acker und Feldwegen im Hammerwurf bis auf 21 Zentimeter dem deutschen U20-Rekord genähert. Die Rahmenbedingungen in Bayern waren besonders schwierig, zumal in einer Disziplin, in der die Technik eine so große Rolle spielt. Darüber hinaus konnte er mit dem Männer-Gerät den deutschen Vizemeister-Titel erringen. Merlin Hummel ist ein rundum bemerkenswerter Athlet, der seine Ziele konsequent verfolgt und widrige Umstände ausblenden kann.“
Die Jury möchte hier zudem auch die deutsche U18-Bestleistung im Diskuswurf von Steven Richter hervorheben, der mit seinen 65,95 Metern die Marke des einstigen U18-Vize-Weltmeisters Henning Prüfer um acht Zentimeter überbot.
SENIORINNEN
„Melitta Czerwenka-Nagel hat in einer Zeit, in der sich viele Menschen zurückgezogen und ihre Bewegung eingeschränkt haben, konsequent ihre Leidenschaft verfolgt. Über Jahrzehnte hat sie mit ihrem bemerkenswerten Ehrgeiz gewaltige Leistungen erzielt und nun mit ihren 90 Jahren in einem Jahr wie diesem gleich zwei W90-Weltrekorde aufgestellt. Nicht nur das, sondern auch ihre positive Art und Einstellung sind beispielgebend und machen vielen Menschen Mut.“
Als ähnlich herausragend stuft die Jury auch die Leistungen der Mehrkämpferinnen Tatjana Schilling und Frauke Viebahn ein, die unter erschwerten Trainingsbedingungen in technischen Disziplinen eindrucksvolle Ergebnisse, darunter auch deutsche Senioren-Bestleistungen, erzielen konnten.
SENIOREN
„Hermann Albrecht hat sich in diesem Jahr in einer Altersklasse und in Disziplinen bewiesen, die national wie international noch eine hohe Leistungsdichte aufweisen. Umso bemerkenswerter sind seine zwei Weltrekorde in der M80-Altersklasse sowohl im Wurf-Fünfkampf als auch im Hammerwurf, wo er sagenhafte 50,69 Meter erzielen konnte.“
Mit Lothar Huchthausen (M85) und Basilius Balschalarski (M70) möchte die Jury zwei weitere Senioren-Athleten erwähnen, die in den Würfen (Huchthausen) sowie im Fünfkampf (Balscharski) ebenso bemerkenswerte Leistungen ablieferten. Bei Basilius Balschalarski gilt es zusätzlich zu würdigen, dass er seit 2001 ununterbrochen in Serie, auch gegen die zum Teil bis zu 4-Jahre jüngere Konkurrenz, alle vergebenen Meistertitel im Fünfkampf (insgesamt 17) gewann.
Hinweis der fdl-Redaktion:
Leider lagen uns nicht von allen Sieger:innen entsprechende Bilder vor. Aus diesem Grunde sind die drei Athlet:innen im Beitragsbild exemplarisch zu sehen. Wir danken u.a. Torben Flatemersch zur Verfügungstellung von Bildmaterial.