Fast überall wo Leichtathletik stattfindet, sind auch FREUNDE unterwegs. So auch in London beim neuen Athletics World Cup. Eine kritische Bilanz von unserem Mitglied Wilfried Walter, der die Reise in die britische Hauptstadt angetreten hatte:
Am 14. und 15. Juli 2018 wurde im Londoner Olympiastadion erstmals der Athletics World Cup ausgetragen. Teilnehmende Athleten wurden von den acht führenden Leichtathletik-Nationen China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Jamaika, Polen, Südafrika und den USA entsandt.
Wer eine Veranstaltung ähnlich dem von der IAAF bis 2006 ausgetragenen Leichtathletik-Weltcup (jetzt: Leichtathletik-Continentalcup) erwartet hatte, wurde jedoch bitter enttäuscht. Die Veranstaltung wurde von Anfang an von Planungsfehlern und organisatorischen Mängeln begleitet: die Tickets wurden viel zu spät ausgedruckt, konnten zumindest in Deutschland teilweise nicht mehr rechtzeitig zugestellt werden und mussten dann umständlich und mit erheblichem Zeitaufwand an der Stadionkasse reklamiert und neu ausgestellt werden. Die Ticket-Preise waren deutlich überhöht und das Wochenende war falsch gewählt. An einem Wochenende, an dem nicht nur das Endspiel und das Spiel um den 3. Platz der Fußball-WM in Russland, sondern auch die Endspiele der Damen und Herren in Wimbledon stattfanden, zogen es viele potentielle Besucher bei Eintrittspreisen von bis zu 170 € (Zieltribüne, pro Tag!) offenbar vor, lieber andere Sportarten zu sehen, und sei es nur im TV. Das Stadion blieb daher halb leer, Stimmung kam nicht auf.
Darüber hinaus gelang es den Organisatoren nicht einmal, acht komplette Teams zur Teilnahme zu bewegen. Sowohl China als auch Jamaika stellten in vielen Disziplinen überhaupt keinen Teilnehmer, verschenkten dadurch wertvolle Punkte und nahmen damit die Spannung aus der Teamwertung.
Ärgerlich zudem, dass der DLV nur ein besseres B- oder C- Team zu den Wettkämpfen schickte. Während beispielsweise die Polen so international hochdekorierte Athleten wie Adam Kszczot, Marcin Lewandowski oder Anita Wlodarczyk ins Rennen schickten, entsandte der Deutsche Leichtathletik-Verband u.a. über 110 m Hürden mit Martin Vogel den 15. der deutschen Bestenliste (SB 14.34 sec).
Weitere Repräsentanten des DLV im Nationaltrikot waren u.a. Lena Naumann (400m Frauen, 7. der dt. BL mit 53.72 sec), Marvin Schlegel (400m Männer, 8. der dt. BL mit 46.85sec) und Joshua Abuaku (400m Hü Männer, 7. der dt. BL mit 51.29 sec). Julian Howard wiederum reiste als Jahresbester im Weitsprung mit einer Weite von 8.20m an, brachte aber in London nur blamabel 7,76 m aufs Brett! (…und was vom – immerhin – 1. Platz eines Julian Weber zu halten ist, der auf Grund seines Leistungsniveaus voraussichtlich nicht einmal bei der EM in Berlin starten wird, sei dahingestellt…).
Dementsprechend war Deutschland in der Teamwertung quasi während der gesamten Veranstaltung nicht auf der Anzeigetafel präsent, da dort nur die ersten sechs Mannschaften aufgelistet wurden. Zwar ist es dem DLV freigestellt, für internationalen Wettkämpfe wie den Weltcup auch hoffnungsvolle Nachwuchsathleten zu nominieren, ob sich Deutschland mit diesem international nicht konkurrenzfähigen Team nur wenige Wochen vor der Europameisterschaft im eigenen Land einen Gefallen getan hat, darf jedoch bezweifelt werden!
Zwar gab es im deutschen Team auch die eine oder andere persönliche Bestleistung oder Normerfüllung für die EM (Jacqueline Otchere im Stabhochsprung Frauen PB mit 4,60m und Jessie Maduka im Dreisprung der Frauen mit PB und EM-Norm von 13,95 m), diese konnten jedoch dass insgesamt blamable Bild, das die deutsche Nationalmannschaft in London ablieferte, kaum verbessern. Im Übrigen ist es Betrug am zahlenden Zuschauer, der für 170 € Eintritt mehr erwarten darf als den 15. der deutschen Bestenliste über 110 m Hürden zu sehen!
Offenbar in weiser Voraussicht waren auch nur sieben Freunde der Leichtathletik zur Unterstützung des deutschen Teams vor Ort.
Insgesamt bleibt ein überaus enttäuschender Eindruck dieses erstmalig ausgetragenen Athletics World Cup s. Organisatorische Mängel und teilweise erbärmliche Leistungen vor allem der deutschen Athleten auf internationaler Bühne machen wenig Lust auf einen erneuten Besuch dieser Veranstaltung in den kommenden Jahren. Von den stimmungsvollen Wettkämpfen vor einem Jahr bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft – weswegen so mancher Besucher gebucht und sich auf die Wettkämpfe gefreut hatte – war nichts mehr zu verspüren.
Wie man auf www.leichtathletik.de unter diesen Umständen von einer „gelungenen Premiere“ sprechen kann, bleibt wohl deren Geheimnis…